Freund schafft Sensation bei Deutscher Meisterschaft

Der geistig behinderte Tischtennis-Sportler Hartmut Freund vom TTC Bietigheim-Bissingen hat bei der Deutschen Senioren-Meisterschaft im Behindertensport am vergangenen Wochenende sensationell Bronze im Herren-Einzel geholt. Bei den Titelkämpfen des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) in Nassau an der Lahn brachte er in der leistungsstärksten Startklasse gleich reihenweise körperbehinderte Turnierfavoriten zu Fall. Erst im Halbfinale konnte ihn der Saarländer Eric Laubach stoppen, der die Deutsche Meisterschaft ohne Satzverlust gewann.

Der 53-jährige Bietigheimer war der einzige geistig behinderte Sportler bei diesen nationalen Titelkämpfen. Er hatte sich in der Startklasse Allgemeine Behinderung (AB) mit den am leichtesten eingeschränkten körperbehinderten Athleten im Alter ab 39 Jahren zu messen. In dieser Wettkampfklasse ist das spielerische Niveau regelmäßig am höchsten, da dort Athleten bereits ab einem Grad der Behinderung von 20 Prozent teilnahmeberechtigt sind, die keine Beeinträchtigungen der Gliedmaßen oder des Rumpfes aufweisen. Oft handelt es sich dabei um Diabetiker, an inneren Organen Erkrankte und Hörbehinderte. Freund hingegen hat infolge seines schweren intellektuellen Handicaps einen Behinderungsgrad von 100 Prozent.

Der TTC-Sportler startete gleich mit einem Paukenschlag in den Wettbewerb, als er im ersten Match René Graumann aus Mecklenburg-Vorpommern mit 11:3, 11:5 und 11:7 förmlich abschoss. Ein nicht für möglich gehaltener Coup, denn Graumann ist amtierender Deutscher Meister der Aktiven – also Titelträger aller Altersklassen und nicht etwa nur der Senioren – in der Klasse AB. Ein weiteres Ausrufezeichen setzte der Bietigheimer, der im Behindertensport für den BSV Walldorf startet, im Match gegen den Deutschen Vizemeister der Senioren, Eric Delpho. Mit der Spielweise des Defensiv-Strategen aus Hessen hatte Freund, der das schnelle Konter-, Block- und Schuss-Spiel liebt, anfangs Mühe, setzte sich aber mit 11:9, 11:5 und 11:7 durch.

Im Viertelfinale schien er gegen Heiko Müller aus Sachsen-Anhalt, der seit 2017 alle nationalen Titelkämpfe des DBS bei den Senioren gewonnen hatte, erneut vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen und lag im ersten Satz 7:10 zurück. Doch dann drehte der Bietigheimer, der wegen seiner schweren Behinderung nie weiß, wie es steht, groß auf und behielt noch mit 13:11 die Oberhand. In der Folge stellte er sich immer besser auf die gefährlichen Unterschnitt-Bälle des Titelverteidigers ein und gewann die weiteren Sätze 11:7 und 11:6.

Im Halbfinale war gegen den späteren Deutschen Meister Eric Laubach Endstation. Der gefürchtete „Materialspieler“ ist selbst für Gegner ohne Handicap kaum auszurechnen, weil er den Schläger während des Ballwechsels dreht. Freund gab den ersten Satz 3:11 ab. Daraufhin schaltete der TTC-Spieler voll auf Angriff, sodass Laubach zum einzigen Male während des gesamten Turniers Gefahr lief, einen Satz zu verlieren. Er wehrte aber zwei Satzbälle von Freund ab und gewann die hart umkämpften Sätze zwei und drei 12:10 und 11:8.

„So stark habe ich Hartmut noch nie erlebt. Er hat Gegner von der Platte gefegt, die im Regelsport mehrere Spielklassen höher spielen als er“, zeigte sich sein Bruder und Coach Norbert Freund beeindruckt. „Dabei hatte er zuvor wegen Corona über zwei Jahre lang kein Turnier mehr im Behindertensport bestreiten können.“

Info: Laubach, Müller und Graumann haben QTTR-Werte von 1839, 1775 und 1660. Hartmut Freund, der von Marc Hingar und Jeromy Löffler trainiert wird, hat einen QTTR-Wert von 1491. Das Foto zeigt von links den Zweitplatzierten Gerd Freiling, Hartmut Freund, René Graumann (beide Platz 3) und Meister Eric Laubach.

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